„Alles wirkliche Leben ist Begegnung.
Die Beziehung zum Du ist unmittelbar. Zwischen Ich und Du steht keine Begrifflichkeit, kein Vorwissen und keine Phantasie; und das Gedächtnis selber verwandelt sich, da es aus der Einzelung in die Ganzheit stürzt. Zwischen Ich und Du steht kein Zweck, keine Gier und keine Vorwegnahme; und die Sehnsucht selber verwandelt sich, da sie aus dem Traum in die Erscheinung stürzt. Alles Mittel ist Hindernis. Nur wo alles Mittel zerfallen ist, geschieht die Begegnung.“
(Buber, 1923, S. 44f.)
Als hätte Martin Buber (1878 – 1965) eine Vorahnung gehabt: Wenn wir nämlich heute als omnipräsente Mittel die digitalen Medien wie Smartphone & Co in den Selfie-Fokus nehmen, dann wird klar, dass sich Kommunikation in kurzer Zeit grundlegend verändert hat. Im Jahr 2007 brachte Apple das erste iPhone auf den Markt – übrigens verbunden mit erheblichen Zweifeln, ob sich ein mobiles Telefon ohne Tasten wirklich durchsetzen würde. Das Smartphone wurde auch für andere Anbieter, zumindest gemessen an den Verkaufszahlen, ein weltweiter Erfolg. Die Zweifel waren sprichwörtlich weggewischt. Nahezu alle räumlichen Distanzen können mittlerweile problemlos überwunden werden, täglich entstehen unzählige digitale Mikrokontakte zwischen Menschen. Echte Begegnung, die unmittelbare Beziehung zum Du, erhält durch die Digitalisierung des Alltags einen Seltenheitswert.
Die Mutigen können einen Selbsttest machen: Ohne(!) Smartphone mit Bus und Bahn reisen. Na, erzeugt die Vorstellung Panik? Hab’s mal versucht. Und mit Entspannungsatmung überlebt. War überrascht, wie viele Menschen plötzlich um mich herum waren. Sonst fahre ich immer allein mit der Bahn.
Literatur:
Buber, M. (1923). Ich und Du. In P. Mendes-Flohr (Hrsg.) (2019). Martin Buber Werkausgabe. Band 4. Schriften über das dialogische Prinzip (S. 37–109). Gütersloher Verlagshaus.