Demokratie ist die einzige politisch verfasste Gesellschaftsordnung, die gelernt werden muss – immer wieder, tagtäglich und bis ins hohe Alter hinein.“ (Negt 2010: 13)
Für die politische Bildung stellt Demokratie-Lernen heute ein zentrales Ziel dar (vgl. Burth/Reinhardt 2020: 7). Demokratie-Lernen in der Schule (Himmelmann 2017) bezieht sich sowohl auf die Demokratie-Bildung aus der Perspektive der Kinder und Jugendlichen als auch auf die Demokratie-Erziehung durch die Lehrkräfte.

Abbildung: Demokratie-Lernen in der Schule (Prues 2022: 17)
Für John Dewey bildet Demokratie nicht nur eine Regierungsform ab, „sie ist in erster Linie eine Form des Zusammenlebens, der gemeinsamen und miteinander geteilten Erfahrung“ (Dewey 1949: 121). Dieses Zitat verdeutlicht Deweys pragmatistischen Demokratieansatz. Die Verbindung von Erfahrung und Demokratie gilt für seinen Pragmatismus als Essenz. Bis an die Basis reicht Deweys Theorie, wenn er für alle Bürger:innen eine gemeinsame „[k]reative Lösung moralischer, sozialer und politischer Probleme“ (Gohl 2016: 238) anstrebt und dabei „[a]lle Formen experimenteller öffentlicher Untersuchungs- und Problemlösungsverfahren“ (ebd.) einbezieht.
Basierend auf Deweys Theorie über Demokratie erweitert Gerhard Himmelmann den Begriff und beschreibt ihn als komplexe Wechselwirkung zwischen Herrschaftsform, Lebensform und Gesellschaftsform (vgl. Himmelmann 2022: 43 ff.). Diese Trias entfernt sich von der verbreiteten Vorstellung, Demokratie sei exklusiv eine Staatsform auf politisch-administrativer Ebene – sie wird stattdessen „bis in die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und in die zwischenmenschlichen Verhaltensweisen hinein zurückverfolgt“ (Himmelmann 2022: 49). Vice versa nutzt der Theaterpädagoge und Friedensforscher Reiner Steinweg den Lehrstückansatz unter anderem dafür, „die Erfahrungen im persönlichen sozialen Umfeld auf die Wahrnehmung und Deutung auch der internationalen Beziehungen [zu] übertragen“ (Steinweg 1994: 28). Vertreter:innen der Friedenspädagogik setzen sich dafür ein, Geschichte als Globalgeschichte zu lehren und nicht ausschließlich aus dem Blickwinkel des jeweiligen Landes (vgl. Rademacher/Wintersteiner 2022: 400). Friedenspädagogik gilt als „ein besonderer Stützpfeiler von Demokratiepädagogik“ (ebd.: 401). In der didaktischen Umsetzung weisen Demokratie- und Friedenspädagogik mehrere Parallelen auf, unter anderem die kritische Betrachtung der herrschenden Verhältnisse, die glaubwürdige Haltung der Lehrer:innen hinsichtlich gewaltfreier Konfliktlösungen sowie Handlungsoptionen für praktische Veränderungen (vgl. ebd.: 402).
Einen bemerkenswerten Beweis, wie Partizipation im demokratischen Diskurs gelingen kann, erbrachten 27 Schüler:innen. In ihrem 2025 veröffentlichten Buchprojekt positionieren sie sich persönlich, gemeinsam und mutig #FürDemokratieGegenExtremismus. Die sozial engagierte Schauspielerin Iris Berben gibt sich davon in ihrem Vorwort beeindruckt: „Siebenundzwanzig starke Stimmen! Siebenundzwanzig nachdenkliche, fordernde, analysierende, kluge, emotionale, bekennende Texte!“ (Berben 2025: 17)
Literatur:
Berben, Iris (2025): Vorwort. In: Kujacinski, Dona (Hrsg.): #FürDemokratieGegenExtremismus. Ein Plädoyer für die Demokratie von 27 Schülerinnen und Schülern des Friedrich-Engels-Gymnasiums Senftenberg. Neuenhagen bei Berlin: Brandenburg-Buch, S. 17–19.
Burth, Hans-Peter/Reinhardt, Volker (2020): Zur Wirksamkeit von Demokratielernen – Eine Einführung. In: dies. (Hrsg.): Wirkungsanalyse von Demokratie-Lernen. Empirische und theoretische Untersuchungen zur Demokratiedidaktik in Schule und Hochschule. Opladen, Berlin, Toronto: Barbara Budrich, S. 7–25.
Dewey, John (1949): Demokratie und Erziehung. Eine Einleitung in die philosophische Pädagogik, 2. Auflage. Braunschweig: Westermann.
Gohl, Christopher (2016): Systematiken demokratischer Beteiligung. In: Der Bürger im Staat (4), S. 234–245.
Himmelmann, Gerhard (2017): Demokratie-Lernen in der Schule. Schwalbach/Ts.: Wochenschau.
Himmelmann, Gerhard (2022): Demokratie als Lebensform, Gesellschaftsform und Herrschaftsform –Herausforderungen für die Demokratie, Aufgaben für die Pädagogik. In: Beutel, Wolfgang/Gloe, Markus/Himmelmann, Gerhard/Lange, Dirk/Reinhardt, Volker/Seifert, Anne: Handbuch Demokratiepädagogik. Frankfurt/M.: Wochenschau. S. 43–51.
Negt, Oskar (2010): Der politische Mensch. Demokratie als Lebensform. Göttingen: Steidl.
Prues, Peter große (2022): Demokratie-Erziehung als Querschnittsaufgabe. Eine Studie zu Subjektiven Theorien von Lehrkräften. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Rademacher, Helmolt/Wintersteiner, Werner (2022): Friedenspädagogik und Friedensbildung. In: Beutel, Wolfgang/Gloe, Markus/Himmelmann, Gerhard/Lange, Dirk/Reinhardt, Volker/Seifert, Anne (Hrsg.): Handbuch Demokratiepädagogik. Frankfurt/M.: Wochenschau. S. 395–404.
Steinweg, Reiner (1994): Gewalt in der Stadt. Wahrnehmungen und Eingriffe. Das Grazer Modell. Münster: agenda.