Oktober 3, 2025

Demokratie

Demokratie ist die einzige politisch verfasste Gesellschaftsordnung, die gelernt werden muss – immer wieder, tagtäglich und bis ins hohe Alter hinein.“ (Negt 2010: 13)

Für die politische Bildung stellt Demokratie-Lernen heute ein zentrales Ziel dar (vgl. Burth/Reinhardt 2020: 7). Demokratie-Lernen in der Schule (Himmelmann 2017) bezieht sich sowohl auf die Demokratie-Bildung aus der Perspektive der Kinder und Jugendlichen als auch auf die Demokratie-Erziehung durch die Lehrkräfte.

Für John Dewey bildet Demokratie nicht nur eine Regierungsform ab, „sie ist in erster Linie eine Form des Zusammenlebens, der gemeinsamen und miteinander geteilten Erfahrung“ (Dewey 1949: 121). Dieses Zitat verdeutlicht Deweys pragmatistischen Demokratieansatz. Die Verbindung von Erfahrung und Demokratie gilt für seinen Pragmatismus als Essenz. Bis an die Basis reicht Deweys Theorie, wenn er für alle Bürger:innen eine gemeinsame „[k]reative Lösung moralischer, sozialer und politischer Probleme“ (Gohl 2016: 238) anstrebt und dabei „[a]lle Formen experimenteller öffentlicher Untersuchungs- und Problemlösungsverfahren“ (ebd.) einbezieht.

Basierend auf Deweys Theorie über Demokratie erweitert Gerhard Himmelmann den Begriff und beschreibt ihn als komplexe Wechselwirkung zwischen Herrschaftsform, Lebensform und Gesellschaftsform (vgl. Himmelmann 2022: 43 ff.). Diese Trias entfernt sich von der verbreiteten Vorstellung, Demokratie sei exklusiv eine Staatsform auf politisch-administrativer Ebene – sie wird stattdessen „bis in die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und in die zwischenmenschlichen Verhaltensweisen hinein zurückverfolgt“ (Himmelmann 2022: 49). Vice versa nutzt der Theaterpädagoge und Friedensforscher Reiner Steinweg den Lehrstückansatz unter anderem dafür, „die Erfahrungen im persönlichen sozialen Umfeld auf die Wahrnehmung und Deutung auch der internationalen Beziehungen [zu] übertragen“ (Steinweg 1994: 28). Vertreter:innen der Friedenspädagogik setzen sich dafür ein, Geschichte als Globalgeschichte zu lehren und nicht ausschließlich aus dem Blickwinkel des jeweiligen Landes (vgl. Rademacher/Wintersteiner 2022: 400). Friedenspädagogik gilt als „ein besonderer Stützpfeiler von Demokratiepädagogik“ (ebd.: 401). In der didaktischen Umsetzung weisen Demokratie- und Friedenspädagogik mehrere Parallelen auf, unter anderem die kritische Betrachtung der herrschenden Verhältnisse, die glaubwürdige Haltung der Lehrer:innen hinsichtlich gewaltfreier Konfliktlösungen sowie Handlungsoptionen für praktische Veränderungen (vgl. ebd.: 402). 

Einen bemerkenswerten Beweis, wie Partizipation im demokratischen Diskurs gelingen kann, erbrachten 27 Schüler:innen. In ihrem 2025 veröffentlichten Buchprojekt positionieren sie sich persönlich, gemeinsam und mutig #FürDemokratieGegenExtremismus. Die sozial engagierte Schauspielerin Iris Berben gibt sich davon in ihrem Vorwort beeindruckt: „Siebenundzwanzig starke Stimmen! Siebenundzwanzig nachdenkliche, fordernde, analysierende, kluge, emotionale, bekennende Texte!“ (Berben 2025: 17)

Literatur:

Berben, Iris (2025): Vorwort. In: Kujacinski, Dona (Hrsg.): #FürDemokratieGegenExtremismus. Ein Plädoyer für die Demokratie von 27 Schülerinnen und Schülern des Friedrich-Engels-Gymnasiums Senftenberg. Neuenhagen bei Berlin: Brandenburg-Buch, S. 17–19.

Burth, Hans-Peter/Reinhardt, Volker (2020): Zur Wirksamkeit von Demokratielernen – Eine Einführung. In: dies. (Hrsg.): Wirkungsanalyse von Demokratie-Lernen. Empirische und theoretische Untersuchungen zur Demokratiedidaktik in Schule und Hochschule. Opladen, Berlin, Toronto: Barbara Budrich, S. 7–25.

Dewey, John (1949): Demokratie und Erziehung. Eine Einleitung in die philosophische Pädagogik, 2. Auflage. Braunschweig: Westermann.

Gohl, Christopher (2016): Systematiken demokratischer Beteiligung. In: Der Bürger im Staat (4), S. 234–245.

Himmelmann, Gerhard (2017): Demokratie-Lernen in der Schule. Schwalbach/Ts.: Wochenschau.

Himmelmann, Gerhard (2022): Demokratie als Lebensform, Gesellschaftsform und Herrschaftsform –Herausforderungen für die Demokratie, Aufgaben für die Pädagogik. In: Beutel, Wolfgang/Gloe, Markus/Himmelmann, Gerhard/Lange, Dirk/Reinhardt, Volker/Seifert, Anne: Handbuch Demokratiepädagogik. Frankfurt/M.: Wochenschau. S. 43–51.

Negt, Oskar (2010): Der politische Mensch. Demokratie als Lebensform. Göttingen: Steidl.

Prues, Peter große (2022): Demokratie-Erziehung als Querschnittsaufgabe. Eine Studie zu Subjektiven Theorien von Lehrkräften. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Rademacher, Helmolt/Wintersteiner, Werner (2022): Friedenspädagogik und Friedensbildung. In: Beutel, Wolfgang/Gloe, Markus/Himmelmann, Gerhard/Lange, Dirk/Reinhardt, Volker/Seifert, Anne (Hrsg.): Handbuch Demokratiepädagogik. Frankfurt/M.: Wochenschau. S. 395–404.

Steinweg, Reiner (1994): Gewalt in der Stadt. Wahrnehmungen und Eingriffe. Das Grazer Modell. Münster: agenda.

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