Heute (04. Februar) wird Facebook 20 Jahre alt.
Was haben Facebook, WhatsApp und Instagram gemeinsam? Sie alle gehören bis dato zum Konzern Meta. An dieser Stelle führt eine spontane Assoziation ins Tierreich: War die Meta menardi (große Höhlenspinne) als Web-Spinne unterbewusst das Vorbild für die Namensgebung des Unternehmens und seine verwobene Machtkonzentration im World Wide Web?
Kostenlos oder umsonst?
Bei den drei eingangs sogenannten sozialen Netzwerken (sollen hier Menschen zusammenfinden oder eher voneinander gespalten werden?) konzentriert sich das Interesse von CEO Mark Zuckerberg in erster Linie auf den oft unterschätzten und zugleich lukrativen Rohstoff: Unsere Daten. Die Nutzung von WhatsApp & Co. ist überwiegend kostenlos aber eben nicht umsonst. Whistleblowerin Frances Haugen (ehemalige Facebook-Mitarbeiterin) und Datenschutzaktivist Max Schrems (erfolgreicher Privatkläger gegen Facebook vor dem Europäischen Gerichtshof) sind zwei Namen, die den ungleichen Kampf David gegen Goliath aufgenommen haben. Und neben dem möglichen Sympathisieren mit den Underdogs gegen den Mega-Meta-Maker geht es dabei für uns alle um richtungsweisende (un)demokratische Entwicklungen – in Form von Rechtssprechungen, aber auch durch unser individuelles Verhalten im Netz.
Insgesamt werden mit den Plattformen des Meta-Konzerns – unter anderem neben Werbeeinnahmen – die Daten von monatlich knapp vier Milliarden aktiven Nutzer:innen zu Geld gemacht. Allein das Quartal zwischen Oktober und Dezember 2023 brachte Meta nach eigenen Angaben einen Nettogewinn von 14 Milliarden US-Dollar (Handelsblatt). Was passiert mit diesen individuellen digitalen Fußabdrücken? Und ist es mittlerweile nicht ohnehin egal, welchen Einwilligungen (Cookies, etc.) wir unbemerkt, bewusst oder gleichgültig zustimmen? Bestimmte Bedenken sind durchaus berechtigt – wie die internen Einblicke von Haugen und anderen Ex-Mitarbeitenden glaubhaft machen wollen.
Alternativen mit Substanz machen mündig
Bereits die reflektierte Nutzung einer alternativen Suchmaschine anstelle des omnipräsenten Platzhirschen Google käme ohne Übertreibung einer Revolution gleich: Über 90 Prozent der weltweiten Suchanfragen werden gegoogelt (Quelle). Es ist unbestritten praktisch und bequem, wenn eine bestimmte Suchmaschine auf dem eigenen Endgerät bereits installiert ist. Bequemlichkeit ersetzt häufig in willkommener Weise das eigene Denken, etwa bei der Suche nach qualitativen Alternativen abseits des Mainstreams. Die Frage ist: Ab welchem Punkt gebe ich mein virtuelles Leben – inklusive der vermehrt fluiden Grenzen ins Analoge – letztendlich aus der Hand und lasse mich unwiderruflich fremdbestimmen, weil es auch bisher verlockend bequem war, die Entscheidungen anderen zu überlassen?
„Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes (sic!) liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
Sapere aude [wage es verständig zu sein]!
Habe Muth (sic!), dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“
Kant (1784) (Hervorhebungen RW)
Daten als Machtinstrument
Wie gläsern sind wir bereits durch das freiwillige Posten, Kommentieren und Teilen von Fotos, Videos und Texten inklusive den damit verbundenen Metainhalten (wo habe ich mich wann, womit und wie lange beschäftigt)? Das Identifizieren einer Person anhand des individuellen Nutzungsprofils verleiht den Sammelnden und Auswertenden von Daten eine Machtposition. Die kann einerseits dafür genutzt werden, um beispielsweise Kriminalfälle aufzuklären – oder andererseits um Menschen mit abweichenden und zugleich vom Grundgesetz gedeckten Einstellungen (und ausschließlich solche sind an dieser Stelle gemeint) zu diskreditieren und auch abseits von einem Diplomatenstatus als persona non grata zu verfolgen.
„Ob Google als globaler Großer Bruder Inhalte zensieren, sich als moralische oder juristische Instanz aufspielen und die Regeln setzen darf. Damit gehen die demokratische Kontrolle, die Legislative, die Exekutive und dazu gleich noch die Judikative an einen Konzern über, der völlig nach eigenem Gutdünken beziehungsweise dem seiner Aktionäre tun und lassen kann, was er will.“
(Aust/Ammann 2016: 335)
Die Gewaltenteilung wird ausgehebelt? Schon, aber…
Vielfach setzt sich das menschliche Bedürfnis nach Anerkennung und Bestätigung in Form von Likes und positiven Emojis am Ende dann doch durch, Bedenken lassen sich auf der glatten Oberfläche des Displays allzu leicht wegwischen. Verständlich, aber bisweilen auch zweifelhaft. Denn am Endes des Tages schaffen wir alle durch unser Nutzungsverhalten Monopolstellungen. Das führt dann zu konkurrenzlosen Netz-Giganten wie eben Facebook/Instagram/WhatsApp oder auch Google/YouTube. Als Gegenpol wird seit längerem eine unabhängige Aufsicht gefordert. „Facebook und Google sind Datenkraken allererster Kajüte, und irgendwann sollte mal irgendwer aus Brüssel kommen und diesen Megakonzernen die gelbe Karte zeigen. […] Wir dürfen Google und Facebook gratis nutzen, dafür dürfen diese Unternehmen uns komplett auslesen und die Daten weiterverkaufen. Aus diesem Prinzip stammt der berühmte Sinnspruch des Internets: Wenn du nichts bezahlst, bist du selbst das Produkt.“ (Silberstein 2018: 43f.) Der demokratische Gedanke wird deshalb am wirkungsvollsten von der Basis ausgehend umgesetzt, indem wir als mündige Konsument:innen des Internets selbst aktiv werden und Alternativen nutzen: Beispielsweise den Mikroblogging-Dienst Mastodon, die Suchmaschinen Startpage oder Ecosia und Firefox oder Brave als Webbrowser. (Wer weiß, was künftig aus diesen einzelnen Apps wird, falls sie zu beliebt werden und ihre ursprüngliche Idee verloren geht… Aber bis dahin kann auch vom Sofa aus Widerstand geleistet werden!)
„Die ganze Big-Data-Sammelwut, dieses virale Marketing, das sich im Netz ausbreitet wie eine ansteckende Krankheit, ist ein Riesengeschäft. Dahinter stehen ausgefeilte mathematische Algorithmen und Computerprogramme mit Millionen von Programmzeilen, die uns zu berechenbaren Größen machen – und die wir mit unseren Informationen selbst gefüttert haben.“
(Aust /Ammann 2016: 21)
Lüge schlägt Fakten
Die Rechnung ist so simpel wie erfolgreich: Eine längere Verweildauer der Nutzenden soll mehr Umsatz für das jeweilige Tech-Unternehmen generieren, mit freundlicher Unterstützung eines aufmerksamkeitsbasierten Rankings sowie personalisierter Werbung. Algorithmen funktionieren am besten mit starken Emotionen, was eine ständig steigende Erregungsspirale in Bewegung gebracht hat. Die polarisierende Lüge schlägt dann schon mal die langweiligen Fakten: Wenn alle möglichen User sogar die krudesten „Theorien“ sinn-, straf- und kostenfrei im Netz verbreiten dürfen und Desinformation auf fruchtbaren Boden fällt, verliert Qualitätsjournalismus (der nicht zwangsläufig meine eigene Meinung widerspiegeln muss) seine zentrale Funktion für die Demokratie. Also: Was ist uns eine sauber recherchierte Nachricht wert? Wie nachvollziehbar und belastbar ist nicht nur die Überschrift sondern der komplette Inhalt, den ich da gerade lese? Welche Informationsquellen nutze ich ganz bewusst – auch außerhalb meiner Meinungsblase? Von den Antworten hängt ganz entscheidend der Fortbestand unserer Freiheit ab. Und die wird es nur mit einer gehörigen Portion Ambiguitätstoleranz geben. Ja, könnte anstrengend werden. Lohnt sich aber.
Internet-Plattformen können unsere Sicht auf die Welt manipulieren: Was geht viral steil? Wer hat daran ein Interesse oder mehrere? Und was wird (in meiner virtuellen Blase) ausgeblendet, damit es im öffentlichen Diskurs möglichst unsichtbar bleibt? Das sollten wir aufmerksam und mit einem humanistischen Blick, dem Gemeinwohl zugewandt, beobachten und durchaus auch darauf reagieren. Habe den Mut!
Literatur:
Aust, Stefan/Thomas Ammann (2016): Digitale Diktatur. Totalüberwachung, Datenmissbrauch, Cyberkrieg, Berlin: Ullstein.
Kant, Immanuel (1784): Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? Berlinische Monatsschrift (2), S. 481–494.
Silberstein, Schlecky (2018): Das Internet muss weg. Eine Abrechnung, München: Knaus.