Juli 5, 2025

Algorithmus und Bühnenkuss

Künstliche Intelligenz (KI/AI) ist in aller Munde – obwohl ihre Anfänge bis ins Jahr 1955 zurückreichen. Wenn technische Entwicklungen auf den Menschen treffen, dann scheinen damit besonders die Darstellenden Künsten traditionell erstmal zu fremdeln. Können die maschinellen KI-Helfer, z. B. Suchalgorithmen, auch nur ansatzweise Lampenfieber oder einen Bühnenkuss imitieren? Echte Emotionen werden von Skeptikern immer wieder ins Spiel gebracht, wenn es um die generelle Frage geht, ob die Maschine den Menschen irgendwann überflüssig macht. Auf der Theaterbühne, dem Ort der menschlichen Begegnung und Interaktion schlechthin, ist so etwas undenkbar – so die verbreitete Meinung. Warum wir nicht über jedes moderne Stöckchen springen müssen wenn Künstliche Intelligenz auf Theater trifft, wo die KI hilfreich sein kann und welchen bekannten Leitgedanken wir im Hinterkopf behalten sollten.

„Die künstliche Intelligenz […] ist ein Teilgebiet der Informatik, welches sich mit der Erforschung von Mechanismen des intelligenten menschlichen Verhaltens befasst.“ (Quelle: Spektrum der Wissenschaft, Lexikon der Neurowissenschaften)

KI auf der Bühne: Für manche ist sie immer noch ferne Zukunftsmusik, andere lassen sich von der Künstlichen Intelligenz bereits fertige Lieder für ihre Aufführungen komponieren. Grundsätzlich greift KI beim Generieren von Inhalten auf das zurück, was es in den unendlichen Weiten des Internets bereits gibt. Je präziser die Fragestellung (Prompt), die ich als Mensch an das Sprachmodell der KI sende, umso genauer die Antwort. Die muss aber nicht zwingend verlässlich sein. Es empfiehlt sich deshalb immer, die Ergebnisse nochmal zu hinterfragen. Sonst könnte der Text einer Jubiläumsansprache, verfasst von der KI, für den Festredner peinlich werden…

Dass sich die Künstliche Intelligenz nach all den erwartbaren Kinderkrankheiten weiterentwickelt und auch verbessert, ist naheliegend. Dass sie zum Beispiel die Emotionen in der Sprache „natürlich nachahmen“ kann, vor allem die Feinheiten in den Dialekten (die sehr oft eine starkes Bindeglied zwischen Spielenden und Publikum sind!), darf bezweifelt werden. Das heimatlich-geprägte Ohr hört bereits den unterschiedlichen Zungenschlag bei Menschen innerhalb der eigenen Region heraus – nicht selten sogar die Abweichung zum Nachbarort. Dieser Bereich wird für die KI wohl auch auf absehbare Zeit unbekanntes Land bleiben. Der Grund ist plausibel: Sprache ist lebendig und wird situativ genutzt, da kommt die technische Umsetzung schnell an ihre Grenzen.

Künstliche Intelligenz kann generell als hilfreiches Werkzeug dienen, auch im Kulturbereich. Die große Herausforderung ist dabei, dass der gesunde Menschenverstand gegenüber der KI kritisch bleibt und wir Inhalte nicht einfach aus reiner Bequemlichkeit unreflektiert übernehmen – dass sich der Mensch von der Maschine eben nicht abhängig macht und wir weiterhin selbstbestimmt handeln. Ganz im Sinne des zeitlosen Wahlspruchs der Aufklärung von dem Philosophen Immanuel Kant „Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Wenn wir diesen Leitgedanken beherzigen, dann sollte es nicht mehr zu einer blinden Technikhörigkeit kommen wie vor gut 100 Jahren. Damals galt die Titanic als unsinkbar. Wie die Geschichte wirklich ausging, wissen nicht nur Leonardo DiCaprio und Kate Winslet. Auch im weiten Meer der Möglichkeiten, welche uns die KI bietet, gibt es tückische Eisberge. Bleiben wir also mutig und kritisch wenn wir ergänzend zur menschlichen Intelligenz die künstliche Variante anwenden. 

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