Manchmal kriecht der Ärger hoch. Er breitet sich im ganzen Körper aus. Der Auslöser kann unterschiedlicher Natur sein. Worauf alle Menschen empfindlich reagieren ist Nichtbeachtung. Wer ignoriert wird, ärgert sich – manche geben es sogar zu. Der Ärger ist verständlich, denn selbst introvertierte Zeitgenoss:innen gehen ungern unsichtbar durchs ganze Leben.
„Sawubona“ ist eine Begrüßung. Aber nicht etwa ein weiteres belangloses „Hallo“ oder „Hi“. Der Ursprung von „Sawubona“ wird in der südafrikanischen Ex-Provinz Natal (heute KwaZulu-Natal) verortet und kann übersetzt werden mit „Ich sehe Dich“. Aufrichtig kommuniziert wird daraus eine außergewöhnliche Qualität menschlicher Begegnung. Respekt auf den ersten Blick.
Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, kann einen gravierenden Unterschied feststellen: Menschen, die das Gegenüber wirklich erreichen, schenken Aufmerksamkeit. Sie wollen durch eine humanistische Brille die ganze Person sehen. Mir wird klar, wann ein „Hallo“ nach sozial apportierter Routine klingt – oder wann ein kleiner Moment des zugewandten Begegnens entsteht. Und in der Bedeutung von „Sawubona“ steckt noch viel mehr:
Meine ganze Aufmerksamkeit gilt Dir. Ich sehe Dich und erlaube mir, Deine Bedürfnisse zu entdecken, Deine Ängste zu sehen, Deine Fehler zu erkennen und sie zu akzeptieren.
Wenn wir in jede Begrüßung diese innere Haltung legen könnten, wären wir vermutlich Übermenschen. Es spricht aber nichts dagegen, es immer wieder zu versuchen. Denn offensichtlich kommt es gar nicht auf das gesprochene Begrüßungswort an, sondern ob wir bereit sind, uns individuell wahrzunehmen. Wer sich mit skrupellosem Einfluss schmückt, sieht Menschen als zweckdienliche Masse. Die Friedenstauben fliegen andere Wege. Manchmal werden sie sichtbar in der täglichen Begrüßung.
Sawubona!
Literatur:
Senge, P. M., Kleiner, A., Roberts, C., Ross, R. B., & Smith, B. J. (1994). The Fifth Discipline Fieldbook. Strategies and Tools for Building a Learning Organization. Nicholas Brealey.