Oktober 3, 2022

Medienkompetenz

Medienkompetenz gilt seit dem PISA-Schock zur Jahrtausendwende als „Schlag-, Schlüssel- und Zauberwort“ (Gapski, 2001, S. 42). Entzaubert wird der Begriff Medienkompetenz bei näherer Betrachtung: Fast jede:r Nutzer:in legt den Inhalt anders aus, es bildete sich eine definitorische Unschärfe sowie Projektionsflächenfunktion heraus (vgl. ebd., S. 44). Selbst nach Jahrzehnten gibt es nach wie vor keine konsensfähige Definition für den Begriff Medienkompetenz. Zu unterschiedlich sind die Diskurse dazu aus Bereichen wie Politik, Wirtschaft und Pädagogik (vgl. ebd., S. 43). Es gilt demzufolge jeweils zu beachten, wer sich mit welchem Hintergrund und welcher Intention über welche Medien äußert. 

Die Basis für Konzepte zur Medienkompetenz legt Dieter Baacke (1973) mit seiner Habilitationsschrift Kommunikation und Kompetenz. Zurückgehend auf das Kompetenzverständnis von Noam Chomsky und Jürgen Habermas entwickelt Baacke (vgl. 1997, S. 98f.) die Medienkompetenz als Teilkomponente kommunikativer Kompetenz mit den vier Hauptdimensionen Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung

Abbildung 1: Medienkompetenzmodell nach Baacke (Quelle: Kampmann & Schwering, 2017, S. 21)

Medienkompetenz, kommunikative Kompetenz und allgemeine Handlungskompetenz bilden für Baacke eine Trias und sind somit untrennbar miteinander verbunden (vgl. Gapski, 2001, S. 72). Ein Zusammenhang dieser drei Modalitäten besteht in der Voraussetzung, dass „der Mensch ein kompetentes Lebewesen sei“ (Baacke, 1999, S. 32).

Mittlerweile wird anstelle von Medienkompetenz häufig auch der Ausdruck digitale Kompetenzen verwendet (vgl. Trültzsch-Wijnen & Brandhofer, 2020, S. 7), wohingegen unter anderen Treumann et al. (vgl. 2002, S. 35) bereits vor zwanzig Jahren insistierten, dass sich Medienkompetenz auf alle Medien bezieht. In zwei weiteren Leitlinien wird darauf hingewiesen, dass Medienkompetenz als Basisqualifikation und Teil der Allgemeinbildung nicht nur in der Schule vermittelt wird sowie zur Aufgabe des lebenslangen Lernens zählt (vgl. ebd., S. 35f.).

Die deutsche Bildungspolitik beschäftigt sich insbesondere nach den durchwachsenen PISA-Resultaten vermehrt mit dem Kompetenzbegriff, welcher seitdem verstärkt in outputorientierten Bildungsstandards zu finden ist (vgl. Schott & Azizi Ghanbari, 2012, S. 14). Dabei soll der Blick nicht isoliert auf die Testpersonen, also die Schülerinnen und Schüler, sondern zunehmend auf das professionelle Handeln der Lehrpersonen hinsichtlich ihrer medienpädagogischen Kompetenz gerichtet werden.

„Die Entfaltung von Medienkompetenz bedarf der Vermittlung durch Lehrende. Um wiederum Medienkompetenz vermitteln zu können, benötigen die Lehrenden selbst ein hohes Maß an Medienkompetenz und darüber hinaus die Kompetenz ihr [sic] angeeigneten Fähigkeiten und Fertigkeiten weiterzugeben, in eine Form zu bringen, die es den Lernenden gestattet, die eigene Kompetenz zu entwickeln.“

(Quelle: Schorb, 2007, S. 23) 

Im verbreiteten Modell von Sigrid Blömeke (2000) über medienpädagogische Kompetenz ist die eigene Medienkompetenz von Lehrkräften als Basis zu finden, mit der Leitidee von sachgerechtem, selbstbestimmtem, kreativem und sozialverantwortlichem Medienhandeln (vgl. Blömeke, 2000, S. 274ff.). Darüber hinaus sind die mediendidaktische und ebenso medienerzieherische Kompetenz, die sozialisationsbezogene Kompetenz sowie die Schulentwicklungskompetenz im Medienzusammenhang weitere Bestandteile (vgl. ebd., S. 377).

Abbildung 2: Elemente medienpädagogischer Kompetenz (Quelle: Blömeke, 2000, S. 377)

Literatur:

Baacke, D. (1973). Kommunikation und Kompetenz. Grundlegung einer Didaktik der Kommunikation und ihrer Medien. Juventa. 

Baacke, D. (1997). Medienpädagogik. Niemeyer. 

Baacke, D. (1999). Medienkompetenz als zentrales Operationsfeld von Projekten. In D. Baacke, S. Kornblum, J. Lauffer, L. Mikos & G. A. Thiele (Hrsg.), Handbuch Medien: Medienkompetenz. Modelle und Projekte (S. 31–35). Bundeszentrale für politische Bildung. 

Blömeke, S. (2000). Medienpädagogische Kompetenz. Theoretische und empirische Fundierung eines zentralen Elements der Lehrerausbildung. KoPäd. 

Gapski, H. (2001). Medienkompetenz. Eine Bestandsaufnahme und Vorüberlegungen zu einem systemtheoretischen Rahmenkonzept. Westdeutscher Verlag.

Kampmann, E. & Schwering, G. (2017). Teaching Media. Medientheorie für die Schulpraxis – Grundlagen, Beispiele, Perspektiven. transcript.

Schorb, B. (2007). Zur Bedeutung und Realisierung von Medienkompetenz. In B. Schorb, N. Brüggen & A. Dommaschk (Hrsg.), Mit eLearning zu Medienkompetenz. Modelle für Curriculumgestaltung, Didaktik und Kooperation (S. 15–34). kopaed. 

Schott, F. & Azizi Ghanbari, S. (2012). Bildungsstandards, Kompetenzdiagnostik und kompetenzorientierter Unterricht zur Qualitätssicherung des Bildungswesens. Eine problemorientierte Einführung in die theoretischen Grundlagen. Waxmann. 

Treumann, K. P., Baacke, D., Haacke, K., Hugger, K.-U. & Vollbrecht, R. (2002). Medienkompetenz im digitalen Zeitalter. Wie die neuen Medien das Leben und Lernen Erwachsener verändern. Leske + Budrich. 

Trültzsch-Wijnen, C. & Brandhofer, G. (2020). Zur Diskussion über Bildung, Digitalisierung und erwarteten Kompetenzen: eine Einleitung. In C. Trültzsch-Wijnen & G. Brandhofer (Hrsg.), Bildung und Digitalisierung. Auf der Suche nach Kompetenzen und Performanzen (S. 7–11). Nomos. 

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